Neues Foto der J-36 am Boden

Neues Foto der J-36 am Boden

© Weibo

Militärtechnik

Neues Foto: User spotten über Chinas geheimen Stealth-Jet J-36

Im Dezember ist Chinas neuer Stealth-Fighter J-36 erstmals bei Testflügen aufgetaucht. Seitdem wurde der Jet immer wieder gesichtet, ist aber offiziell immer noch geheim. Selbst der Name J-36, den der Flieger von der Internet-Community bekommen hat, ist aktuell nur eine Vermutung, basierend auf den bisher eingeführten Flugzeugen der chinesischen Luftwaffe.

Jetzt ist ein neues Foto der J-36 aufgetaucht. Das liefert die bisher beste Frontansicht und zeigt einen „bösen Blick“ mit leuchtend grünen „Augen“. Das sorgt für Spott im Internet:

Aufgrund des Cockpits, das an Augen erinnert, und der Nase, die wie ein Schnabel aussieht, werden Vergleiche zu Vögeln gezogen:

Foto vermutlich illegal aufgenommen

Noch ist nicht ganz klar, ob das neue Foto tatsächlich echt ist. So gibt es einige Bildverzerrungen, die auf eine Bildmontage, basierend auf bisherigen Fotos von Testflügen, hindeuten können.

Sieht man genau hin, merkt man, dass das Foto von einem Bildschirm abfotografiert wurde. Außerdem dürfte das Originalfoto mit einem Smartphone entstanden sein, entweder mit Digitalzoom oder einer Aufsteck-Zoomlinse, was die Artefakten im Foto erklärt.

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Das Fotografieren von militärischen Einrichtungen ist in China strengstens verboten. Wird man mit einer großen Kamera erwischt, die Richtung einer Militärbasis gerichtet ist, geht es ab ins Gefängnis. Ein Smartphone ist da unauffälliger. Das Abfotografieren des Fotos auf dem Bildschirm ist vielleicht der Versuch eines rechtlichen Workarounds oder, damit das Originalfoto nicht anhand der Metadaten bzw. durch Bildanalyse zum Fotografen zurückverfolgt werden kann.

J-36 ist groß, aber nicht Stealth-Bomber groß

Anhand der bisherigen Fotos von Testflügen, scheint dieses Bild authentisch zu sein. Es bestätigt, dass die Piloten im Cockpit nebeneinander sitzen. Das ist etwa auch bei den amerikanischen Stealth-Bombern B-2 und B-21 so. Bei normalen Kampfjets, wie etwa der F-15, sitzen die Piloten hintereinander.

Eine F-15E Strike Eagle

Eine F-15E Strike Eagle

Dass die J-36-Piloten genug Platz haben, um nebeneinander sitzen zu können, ist der ungewöhnlichen Größe des Flugzeugs zuzuschreiben. Einen Hinweis auf die Dimensionen liefert das Bodenpersonal, das links im Bild zu sehen ist.

Neues Foto der J-36 am Boden

Neues Foto der J-36 am Boden

Die J-36 ist deutlich größer als eine F-15 und Chinas aktueller Stealth-Fighter J-20, aber kleiner als eine B-21. Diese Zwittergröße könnte eine neue Kategorie von Kampfflugzeug sein, die in Militärsprache ein „überschweres Mehrzweckkampfflugzeug“ wäre, oder in englisch ein „Very Heavy Strike Fighter“.

Im Zweiten Weltkrieg gab es ein ähnliches Konzept, das als „Heavy Fighter“ und bei der Wehrmacht als „Zerstörer“ bekannt war. Bekannte Vertreter dieser Kategorie sind die amerikanische Lockheed P-38 und die deutsche Messerschmitt Bf 110.

Chinas Idee hinter der J-36 dürfte sein, dass sie eine höhere Reichweite und mehr Waffenlast als die J-20 hat. Weil sie nicht so groß wie ein Bomber ist, kann sie die selben Flugfelder wie ein Kampfjet nutzen, anstatt nur die Pisten, die für die größeren Bomber gedacht sind.

Das wäre für China besonders bei einem Konflikt im Pazifik wichtig. China hat im Südchinesischen Meer viele Militärstützpunkte, teilweise sogar auf künstlich errichteten Inseln. Die J-36 könnte von den Pisten dort starten und feindliche Bomber abfangen oder Schiffe aus einer für den Gegner nicht vorhersehbaren Richtung angreifen.

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Zusätzliche Waffenschächte

Das neue Foto liefert deutliche Hinweise darauf, dass die J-36 mehrere Waffenschächte hat. Der Hinweis sind die geöffneten Klappen an der Unterseite. Auf dem Bild sieht es nämlich aus, als gibt es einen Hauptwaffenschacht in der Mitte und links und rechts davon je einen kleineren.

Geöffnete Waffenschächte der J-36

Geöffnete Waffenschächte der J-36

Eine Verwechslung mit den Klappen des Fahrwerks kann man nahezu ausschließen. Aus früheren Bildern, die die J-36 von unten zeigen, sieht man nämlich, dass das hintere Fahrwerk nur je eine Klappe an der Außenseite hat. Die auf dem neuen Foto zusätzlichen Klappen befindet sich aber, vom Fahrwerk aus gesehen, an der Innenseite – also zwischen Fahrwerk und Hauptwaffenschacht.

J-36 bei einem Testflug von unten fotografiert. Man sieht deutlich die geöffneten Klappen des Fahrwerks

J-36 bei einem Testflug von unten fotografiert. Man sieht deutlich die geöffneten Klappen des Fahrwerks

Die kleinen Waffenschächte könnten für Luft-Luft-Raketen gedacht sein. Auch die J-20 hat 2 Extra-Waffenschächte, die nur für Raketen für den Luftkampf reserviert sind.

J-20: Die seitlichen Waffenschächte sind bereits geöffnet, während der Hauptwaffenschacht noch geöffnet wird

J-20 mit Übungsraketen: In der Mitte ist der Hauptwaffenschacht, links und rechts davon die Extraschächte für Luft-Luft-Raketen

Dadurch wäre es möglich, im großen Hauptwaffenschacht einen Revolvertrommel-ähnlichen Drehmechanismus zu integrieren, an dem verschiedene Waffen befestigt sind. Ähnliche Systeme werden von den USA bei den Bombern B-52, B-1 und B-2 genutzt und heißen dort Rotary Launcher.

Im Fall der J-36 könnte der Rotary Launcher genutzt werden, um große Waffen verschiedener Typen mitzuführen, wie etwa weitreichende Luft-Luft-Raketen, Marschflugkörper oder Antischiffsraketen. Bei einem Dogfight müssen Luft-Luft-Raketen aber schnell verfügbar sein, da hier jede Sekunde zählt. Bis der Hauptwaffenschacht geöffnet und im Drehmechanismus die richtige Luft-Luft-Rakete bereit ist, könnte es schon zu spät sein. Eine Rakete für den Luftkampf in einem kleineren Extra-Schacht zu haben, macht in diesem Fall Sinn.

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Grüne Augen sind HUDs

Bei den grünen Augen der J-36, die auf dem Foto zu sehen sind, handelt es sich um die Spiegelungen des HUD – Heads-Up Display. Das HUD blendet für den Flug relevante Informationen vor der Cockpit-Scheibe ein. Und weil es 2 Piloten gibt, die nebeneinander sitzen, gibt es auch 2 HUDs.

Weiters zeigt das neue Foto relativ deutlich die Sensorfenster, die sich links und rechts von der Nase befinden. Ebenfalls zu sehen sind alle 3 Lufteinlässe – einer oben und 2 unten. Die 3 Lufteinlässe sind nötig, weil die J-36 3 Triebwerke hat.

Das ist sehr ungewöhnlich für einen modernen Kampfjet. Es gibt Spekulationen, dass die Triebwerke nicht alle gleich konfiguriert, sondern für eine hohe Effizienz bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten optimiert sind. Das könnte etwa der J-36 eine höhere Reichweite bei Supercruise (anhaltendes Fliegen mit Überschallgeschwindigkeit) verleihen.

J-50

Die J-36 ist voraussichtlich ein Kampfjet der 6. Generation. Damit hätte China als erste Nation weltweit einen Jet der 6. Generation im Flug gezeigt. Die USA haben ihre F-47 erst später vorgestellt und diese bisher nur als verhüllte Grafik gezeigt.

Das Enthüllungsbild der F-47

Das Enthüllungsbild der F-47

Zeitgleich mit der J-36 hat China Testflüge mit einem weiteren Stealth-Fighter begonnen. Dieser ist kleiner als die J-36 und wird vorerst J-50 oder auch J-XDS genannt. Als Besonderheit hat die J-50 bewegliche Flügelspitzen, die das Fehlen des Leitwerks (Tailless) ausgleichen.

Was bedeutet Kampfjet der 6. Generation?

Kampfjets werden in Generationen eingeteilt. Die aktuellste, die im Einsatz ist, ist die 5. Generation, die sich durch vor allem durch Tarnkappeneigenschaften auszeichnet. Dazu gehören etwa die F-22, F-35, Su-57, J-20 und J-35.

Zu den derzeit noch lose definierten Fähigkeiten eines Kampfjets der 6. Generation gehören:

  • Tarnkappeneigenschaften und interner Waffenschacht
  • Für Luftkämpfe und Bodenangriffe geeignet
  • Geeignet für elektronische Kriegsführung
  • Erweiterte Datenübertragungsfähigkeiten für das vernetzte Schlachtfeld und Datenübertragung direkt zu Satelliten
  • Kann optional ferngesteuert und mindestens teilautonom mittels KI agieren
  • Helm-Display ist mit Außenkameras verbunden, damit der Pilot „durch das Flugzeug“ durchschauen kann und so eine 360-Grad-Rundumsicht hat
  • Adaptives Triebwerk
  • Erweiterte Gegenmaßnahmen, wie Jammer, Infrarot-Blender und optional Energiewaffen – etwa um anfliegende Raketen per Laser zu zerstören

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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